Psychodiabetologie/ Leben mit Diabetes

Diabetes mellitus ist eine chronische Erkrankung, die 7–9 Prozent der erwachsenen deutschen Bevölkerung betrifft und von den Betroffenen oft in ihrer Ernsthaftigkeit unterschätzt wird (z.B. „ich habe so ein bisschen Alterszucker…“). Werden Diabetes-Symptome nicht ernst genommen oder der Diabetes (Diabetes Typ 1, Diabetes Typ 2) unzureichend behandelt, besteht ein massiv erhöhtes Gesundheitsrisiko unter anderem für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Amputationen, Erblindung, Nierenversagen und vorzeitigem Tod. Tatsächlich bestehen sehr gute medizinische Behandlungsmöglichkeiten, so dass der weitere Erkrankungsverlauf durch die konsequente Umsetzung von Behandlungsempfehlungen und Therapie meistens günstig beeinflusst werden kann.

Mit der Diagnose „Diabetes“ und den sich daraus ergebenden Behandlungsempfehlungen werden die Betroffenen unverhofft vor die Aufgabe gestellt, ihren bisherigen Alltag von heute auf morgen ganz erheblich zu verändern. Plötzlich sollen komplexe Behandlungspläne eingehalten werden, die zwar langfristig viel bringen, aber zunächst weitreichende Konsequenzen für das tägliche Leben haben. Das Essverhalten sollte verändert werden und in den meisten Fällen erfolgt eine Aufforderung zur Gewichtsabnahme, gekoppelt mit der Empfehlung zur Steigerung der körperlichen Aktivität. Ergänzt wird dies in der Regel durch die lebenslange Einnahme antidiabetischer Medikamente (Tabletten oder Insulinspritzen) und regelmäßige Blutzuckerkontrollen.

Verdeutlicht man sich die Bedeutung dieser Behandlungsempfehlungen für den Alltag, wird klar, dass dem Patienten die entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Diabetestherapie und der Prognose seiner Erkrankung zukommt. Die Übernahme von Eigenverantwortung wird somit zum Dreh- und Angelpunkt der weiteren Entwicklung.

Manche Betroffene können mit diesen Anforderungen und Belastungen gut umgehen, bei anderen wiederum können sie zu erheblichen Problemen der Krankheitsbewältigung und zu psychischen Störungen führen. So ist beispielsweise gut belegt, dass Diabetes mit einer Verdoppelung der Depressionsraten und mit einer überdurchschnittlichen Häufung von behandlungsbedürftigen Ängsten einhergeht.

In den vergangenen Jahren ist ein enormer Wissenszuwachs – insbesondere über die psychischen Aspekte des Diabetes – festzustellen, und die Fülle der wissenschaftlichen Publikationen ist kaum noch zu überblicken. Leider besteht eine große Kluft zwischen neuen Erkenntnissen aus der Forschung und deren Umsetzung in die Praxis. So werden immer noch die Mehrzahl der psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen, sexuelle Funktionsstörungen und Essstörungen bei Patienten mit Diabetes weder erkannt noch adäquat behandelt.

Einen umfassenden Überblick zum Thema Psychodiabetologie bietet das Lehrbuch »Psychodiabetologie (Petrak und Herpertz, 2013).

Unsere Angebote

In unserem Behandlungsschwerpunkt „Psychodiabetologie“ werden Menschen mit Diabetes psychotherapeutisch behandelt, die durch Ihre Erkrankung im besonderen Maße beeinträchtigt sind oder aufgrund psychischer Störungen in der Bewältigung des Diabetes eingeschränkt sind.

Den fachlichen Hintergrund zu diesem Behandlungsschwerpunkt bietet die langjährige Fokussierung des Zentrumsleiters Prof. Frank Petrak in Forschung, Lehre und Psychotherapie unter anderem auf den Bereich der Psychodiabetologie im Rahmen seiner »universitären  und psychotherapeutischen Tätigkeiten. Dies ermöglicht die intensive psychodiabetologische interne Fortbildung und Supervision unseres Psychotherapeutenteams und wird teilweise durch externe curriculare Weiterbildungen zum Fachpsychologen Diabetes (DDG) ergänzt.

Unsere Angebote umfassen unter anderem die Unterstützung bei

  • der Identifikation und Veränderung von Verhaltensweisen, die einer erfolgreichen Selbstbehandlung des Diabetes entgegenstehen
  • Verhaltensänderung und dem Selbstmanagement der Erkrankung (z.B. Motivation, Einhaltung der Selbstkontrolle, Gewichtsabnahme, Umgang mit Folgeerkrankungen…)
  • Schwierigkeiten, den Diabetes und die Diabetesbehandlung zu akzeptieren
  • anhaltenden Problemen bei der Umsetzung von in Schulungen erworbenen Wissens in den Alltag
  • Bewältigung des Diabetes und seiner möglichen Konsequenzen in allen betroffenen Lebensbereichen und verschiedenen Krankheitsstadien (z. B. diabetesspezifische Belastungen, Akut- und Folgekomplikationen);
  • übermäßige Angst vor Folgeschäden
  • übermäßige Hypoglykämieangst
  • Paarberatung und Paartherapie bei Belastungen der Partnerschaft durch den Diabetes
  • der Behandlung von psychischen Störungen, die in Wechselwirkung mit dem Diabetes stehen (z.B. Depressionen, Ängste, Essstörungen).

Wir arbeiten, sofern dies gewünscht wird, in den meisten Fällen in Abstimmung mit den behandelnden Ärzten, um wesentliche körperliche und psychischen Aspekte des Diabetes in ihrer Wechselwirkung angemessen zu berücksichtigen.